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Blackout: Gut vorbereitet auf den Ernstfall!


Es gibt immer Krisen, die nicht vorhersehbar sind, das ist umso bedrohlicher, je vernetzter die Welt ist. Naturkatastrophen, Blackout, Pandemie, Kriege – vieles davon kennen wir zum Glück nur aus der Theorie.

Die Corona Pandemie erforderte Schutzausrüstung für Gesundheitspersonal und Kapazitäten auf Intensivstationen, genug Lebensmittel waren in den Regalen und Strom kam weiterhin aus der Steckdose. Wer jetzt meint, sich mit ausreichend medizinischer Schutzkleidung und einem zentralen Bettenbelegungsplan für die nächste Krise gut wappnen zu können, der liegt möglichweise ganz falsch, denn bei Erdbeben, Überschwemmungen oder Blackout – die zugegeben nicht gleich die ganze Welt betreffen werden – sieht die Vorsorge wieder völlig anders aus. Ist Vorsorge aber überhaupt möglich?

 

Handlungsfähig bleiben

Um die Handlungsmöglichkeiten vor oder in einer Krise gut einschätzen zu können, ist es wichtig, das Wesen einer „Krise“ zu verstehen. Eine Krise bedeutet immer den Verlust eines Gleichgewichts, bei dem auf wenige oder keine bewährten Strategien zur Bewältigung zurückgegriffen werden kann. In der ersten Phase sind die Symptome einer Krise noch kaum wahrnehmbar, hin und wieder poppen kleinere und größere Herausforderungen auf, die aber rasch gemeistert werden können. In dieser Phase sind noch Handlungsspielräume offen und es ist ausreichend Zeit für Überlegungen gegenzusteuern. Wer jetzt nicht handelt, tritt in die nächste Phase ein: die latente Krise. Die Zeichen werden schon deutlicher, der Druck höher. Folgt die unmittelbare Wahrnehmung, dass eine Krise vorhanden ist, kann man das Ruder gerade noch herumreißen. Erst in der letzten Phase ist die Krise akut und nicht mehr beherrschbar. Die Anforderungen zur Krisenbewältigung übersteigen die vorhandenen Kapazitäten, die Steuerung der Vorgänge ist nicht mehr möglich, es kann maximal improvisiert werden.

 

Warum geht alles schief?

Die häufigsten Ursachen sind nach den Erkenntnissen der Krisenforschung Führungsfehler gepaart mit dem Fehlen langfristiger Pläne. Dazu kommen die häufig unzureichende Ausstattung mit Eigenkapital und konjunkturelle Schwankungen. Es braucht zuverlässige Frühwarnsysteme und eine laufenden Risikoevaluierung – kurz gesagt, bleiben Sie wachsam und beweglich! Als Chef oder Chefin einer Ordination sind Sie in der Krise mehrfacher Hinsicht gefordert: Sie müssen Ruhe und Sicherheit ausstrahlen, unter Druck rasch agieren und damit zurechtkommen, dass es gerade mitten in der größten Turbulenz keine abgesicherte Information gibt, auf Basis derer Entscheidungen getroffen werden können. Ein hohes Maß an Unsicherheit ist jetzt Ihr Tagesgeschäft und das erfordert Mut, Flexibilität und einen Fokus auf das Wesentliche! Dass es jetzt zu spät ist, einen Managementkurs für erfolgreiches Führen und krisenfestes Auftreten zu belegen, versteht sich von selbst.

Und plötzlich ist alles dunkel …
Stellen Sie sich jetzt vor, der Strom fällt aus – nicht bei Ihnen in der Ordination, nicht in der Straße, sondern großflächig – im ganzen Bundesgebiet oder in den meisten Hauptstädten Europas. Ein Blackout kommt ohne Vorwarnung und entsteht meist durch eine Verkettung von Einzelereignissen, betrifft aber dann so große Teile Europas, dass es zur Wiederherstellung Stunden, wenn nicht sogar Tage dauern kann. Es funktioniert kein Licht, kein Computer, kein Handy, aber auch kein Bankomat, keine Tankstelle, keine Ampel und auch kein Medizinprodukt mit Stromanschluss. Sie stecken mitten in der heißesten Phase Ihrer Ordinationszeiten und Ihre Ordination ist völlig lahmgelegt. Während Spitäler für diesen Fall für einige Stunden eine Notstromversorgung haben, um zum Beispiel lebenswichtige Operationen zu Ende zu führen, haben die meisten Ordinationen wohl kein Notstromaggregat im Keller. Die Schäden reichen dann von ungekühlten Medikamenten über kaputte Geräte infolge von Spannungsschwankungen im Versorgungsnetz bis hin zu möglichem Einbruch und Diebstahl – da ja auch keine Alarmanlage oder Videoüberwachung für Ihre Sicherheit sorgen kann. Der bisher größte Blackout ereignete sich im Juli 2012 in Indien, wo die Stromversorgung für 600 Millionen Menschen zusammenbrach, im November desselben Jahres waren in München 450.000 Menschen betroffen.

Nicht ob, sondern wann...
Auch wenn die europäische Stromversorgung zu den verlässlichsten der Welt zählt, ist es keine Frage von „ob“, sondern von „wann“ es auch hierzulande passieren kann, dass alles dunkel bleibt. Die Ursachen können technisches Versagen oder Cyberangriffe genauso sein wie Extremwetterereignisse. Besonders ganz kurze Unterbrechungen im Millisekundenbereich passieren immer öfter und können sensible Geräte und Infrastruktur schon aus dem Gleichgewicht bringen. Nach einem Blackout kann es noch Tage dauern, bis alles wieder rund läuft, auf vieles – wie etwa die Telekommunikation – hat der einzelne Arzt oder die einzelne Ärztin aber auch gar keinen Einfluss. Neben der fehlenden Versorgung kann es auch ganz schnell zu Sicherheitsrisiken kommen, wenn Menschen Angst haben, Ausweglosigkeit fühlen und plötzlich anders reagieren als im „Normalbetrieb“. Gerade Gesundheitseinrichtungen sind dann ein besonders „gefährdetes“ Terrain, zieht es doch Menschen dann dorthin, wo vermeintlich Hilfe und Lösungen erwartet werden.

 

Ärzte und Ärztinnen haben Schlüsselrolle

Der erste Schritt zur Vorsorge für den Arzt oder die Ärztin ist es daher, mit den regionalen Behörden Kontakt aufzunehmen und gemeinsam ein Krisenvorsorgekonzept zu erarbeiten. Es ist wichtig zu wissen, wie im Notfall zum Beispiel die Notstromversorgung geregelt ist, wie etwaige Krisenteams zusammengesetzt und welche Maßnahmen vonseiten der öffentlichen Hand geplant sind. Die Anschaffung eines benzin- oder dieselbetriebenen Notstromaggregats ist von Vorteil und kann zumindest einige Stunden überbrücken – sofern der Platz dafür vorhanden ist. Licht, Computer für Dokumentation und ein Notfalllabor für Blutbild, CRP und Blutzucker sind dann vorhanden. Wichtig ist aber, die Funktionsfähigkeit zumindest zweimal jährlich zu überprüfen und genug Diesel im Haus zu haben. Die Kosten für ein Notstromaggregat liegen bei rund 5.000 Euro. Auch die Anschaffung von – und Schulung im Umgang mit – Funkgeräten kann im Ernstfall wichtig sein.

 

Ärzte und Ärztinnen können nicht alleine verantwortlich sein

Um einen Notbetrieb möglichst lange aufrechterhalten zu können, ist es wichtig, ausreichend Arzneimittel und Medizinprodukte, die täglich in der Ordination verwendet werden, auf Vorrat vorzuhalten. Experten raten, hier mindestens für zwei Wochen zu planen. Dazu gehören etwa auch frisches Wasser sowie Ruhemöglichkeiten für das Personal und natürlich ausreichend Schutzkleidung. Krisenexperten gehen auch davon aus, dass im Falle eines Blackouts die niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen eine besondere Rolle als dezentrale Versorgungseinheiten übernehmen müssen und dazu eine koordinierte und abgestimmte Vorgangsweise auf Bezirks- oder Gemeindeebene – mit Behörden und Spitälern – notwendig ist. Mobile Einheiten wie Zelte, aber auch fachkundiges Personal aus Blaulichtorganisationen sollte dann rasch in den Ordinationen den Betrieb unterstützen können. Überlegungen, wie etwa mit Dialyse- oder Sauerstoffpatienten und -patientinnen, aber auch pflegebedürftigen Patienten und Patientinnen, die beispielsweise auf Heimhilfe und mobile Pflege angewiesen sind, umzugehen ist, sollten vorab angestellt werden. Dazu ist ein „Lagebild“ erforderlich, das am besten vor einer Krise erstellt und laufend aktualisiert wird, um zu wissen, von wie vielen Personen hier auszugehen ist, die spezielle Versorgungsbedürfnisse haben. Vieles davon ist aktuell kaum geregelt, das Bewusstsein – trotz gerade durchlebter Pandemie – fehlt über weite Strecken. Unklar ist, wer die Kapazitäten für Lager zur Verfügung stellt oder wie die Finanzierung für das Vorhalten von Arzneimitteln und Medizinprodukten aussehen kann. Ein Abwälzen der Kosten auf den einzelnen Arzt oder die einzelne Ärztin kann jedenfalls nicht die Lösung sein. Derzeit fehlen zudem auch viele rechtliche Vorgaben, die den Rahmen für den Katastrophenfall bilden müssten, wie etwa zum Datenschutz, zur Medikamentenausgabe oder zur Triage. Das hohe Qualitätsniveau der regulären Versorgung wird in vielen Bereichen bei einem Blackout nicht aufrechtzuerhalten sein, zögerliche Entscheidungen aufgrund fehlender Krisenpläne könnten dann rasch unnötig viele Menschenleben kosten.

 

Linktipp:

 

Buchtipp:

  • Jorge Klapproth, Der Tag X – Vorbereitung auf den Ernstfall, Handbuch für Krisenmanagement und Krisenkommunikation, Praxishandbuch mit vielen Checklisten und Vorlagen, 484 Seiten, BoD-Verlag, Mai 2016, ISBN 978-3842332355
    Jorge Klapproth berät und trainiert Führungskräfte und Kommunikationsverantwortliche in den Bereichen Krisenmanagement, Krisenkommunikation sowie für öffentliche Auftritte. Klapproth war Berufsoffizier und studierte Nachrichtentechnik an der Universität der Bundeswehr in München. Er ist als Oberst der Reserve in der Katastrophenhilfe der Bundeswehr und in der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit eingesetzt. Davor war er Leiter der Informationsarbeit und Sprecher der Bundeswehr in Nordrhein-Westfalen sowie Berater von Krisenstäben der öffentlichen kommunalen Verwaltung.



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